Warum Pelzmode kein Statussymbol mehr ist

Augsburger Allgemeine

Mode in Augsburg gibt es nur noch vier Geschäfte in der Branche. Das hat mehrere Ursachen, wissen zwei Experten und beschreiben, wie sie sich behaupten- auch im Hinblick auf den Tierschutz.

Es ist eine Branche, die mitunter Widerspruch hervorruft. Damit leben die Geschäftsleute.»Ich bin pelzverrückt», sagt Hans-Peter Gerner über sich selbst und liefert die Begründung für seine ungewöhnliche Leidenschaft gleich mit. «Das Gefühl, wenn man Felle anfasst, die Tatsache, dass es sich um ein organisches Produkt handelt und die Attribute wie Weichheit und Geborgenheit, die man mit Pelz verbindet, faszinieren mich», erzählt er voller Überzeugung. Seine Tochter Natalie hat die Leidenschaft für Pelz geerbt, sie tritt in die Fußstapfen des Vaters. Natalie Gerner ist Kürschnermeisterin und arbeitet im Pelzatelier des Vaters in Kriegshaber.

In ihrem Beruf ist die junge Frau nahezu eine Einzelkämpferin, denn viele Kürschner gibt es in Augsburg nicht mehr. «Als ich 1986 den Laden gegründet habe, waren es noch 45 Kürschner. Heute sind noch vier übrig», sagt Gerner. Zu ihnen gehört Walter Wölfle vom Pelzmodengeschäft Rottner in Lechhausen. Wölfle war 17 Jahre Obermeister der schwäbischen Kürschnerinnung, die es heute nicht mehr gibt. Die Branche verliert an Zuspruch.

Pelzmode ist heute individueller als früher

Der starke Rückgang an Geschäften, die Pelzmode anbieten, hat laut Wölfle verschiedene Gründe. «Das Problem, einen Nachfolger zu finden, haben viele inhabergeführte Unternehmen und mit dieser Schwierigkeit kämpft auch unsere Branche.» Als der Tierschutz Mitte der 80er Jahre verstärkt gegen Pelz mobil gemacht habe, seien zudem Betriebe in finanzielle Schieflage geraten und hätten schließen müssen.

«Das lag aber nicht nur am Tierschutz und den damit verbundenen Vorbehalten, sondern auch an den Geschäftsmodellen, die unter den neuen Bedingungen nicht mehr funktioniert haben und auch nicht angepasst worden sind», so Wölfle weiter. Sei früher ein Pelzmantelmodell in verschiedensten Größen mehrfach gefertigt worden, so arbeite man heute nur noch nach speziellen Kundenwünschen oder maximal in Kleinstserien. Das habe die Pelzmode verändert. Sie sei individueller geworden und längst kein Statussymbol mehr.

Schwerpunkt liegt mittlerweile oft auf Umarbeitungen

Darauf legt Hans-Peter Gerner ebenfalls Wert. «Pelz sollte man nicht nur zu ausgewählten Terminen, sondern immer tragen können», erklärt er seine Philosophie. Modemessen wie in Paris oder Mailand seien Pflichttermine. «Den Ideen sind kaum Grenzen gesetzt. Wir können das Fell nach außen tragen oder auch nach innen setzen. Wir färben Felle ein, um ihnen eine besondere Note zu geben, oder kombinieren Stoff und Fell beispielsweise für einen Poncho.» Auch Wendejacken oder Jacken, die nach dem Abtrennen der Ärmel als Weste getragen werden können, hat das Atelier im Angebot. Wer nicht neu fertigen lassen will, kann alte Pelzmäntel zum Umarbeiten bringen. «Es gibt nahezu unendlich viele Möglichkeiten, aus etwas Altem, etwas Neues zu machen», sagen Gerner und Wölfle. Beide beschreiben den Anteil an Umarbeitungen als Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Artgerechte Haltung für Pelzproduktion wichtig

Auf diese Weise könne man nicht nur Pelzerben glücklich machen, sondern der Wegwerfgesellschaft etwas entgegensetzen. Denn Pelz sei, entgegen vieler Unkenrufe aus dem Tierschutzlager eine nachhaltige Ware. «Pelz ist ein natürlich nachwachsendes Produkt, das viele Jahrzehnte hält un im Falle einer Umarbeitung auch noch umweltfreundlich recycelt wird», sagt Hans-Peter Gerner. Dazu sei es für einen guten Kürschner bei Neuproduktionen unerlässlich, auf artgerechte Haltung der Tiere zu achten. «Für uns ist es wichtig, dass kein Tier für die Pelzproduktion ausgerottet oder gequält wird. Wir legen Wert auf die Einhaltung der Artenschuzabkommen und den Tierschutz», so Gerner. Zum Wohl der Tiere und der Qualität der Felle. Denn nur Nerze, Füchse, Persianer, Lämmer, Ziegen oder Nutria aus artgerechte Haltung würden auch Felle in bester Qualität liefern, so der Experte weiter. Und um sicher zu gehen, woher die Felle stammen, besuche Tochter Natalie regelmäßig Farmen, um sich vor Ort ein Bild zu machen.

Auch Wölfle legt Wert auf Qualität. «Ware aus China würde ich nicht beziehen, da wird auf das Tierwohl nicht geachtet», sagt er. Im Gegenzug merkt er an: «In manchen Regionen unseres Landes oder der Erde sind beispielsweise Bisamratten eine Plage und werden gefangen. Da sehen ich nichts Verwerfliches darin, das Fell zu verarbeiten.

Kürschner sehen Zukunft für ihren Beruf

Wölfle kann damit leben, dass manche Kunden Pelzmode ablehnen, so lange sie es auf faire Weise tun: «Mich ärgert es, wenn Menschen mich ansprechen und mir Unverschämtheiten an den Kopf werfen, dann aber im Supermarkt das billigste Fleisch kaufen, ohne nachzufragen, unter welchen Bedingungen diese Tiere leben und sterben mussten.»

Trotz Gegenwind und verschiedenen wirtschaftlichen Hindernissen wollen Gerner und Wölfle ihren Berufsstand für die Zukunft sichern. «Demjenigen, der Kürschner werden und ein Pelzmodegeschäft eröffnen möchte, kann ich nur sagen, tue das, es ist ein toller Beruf», sagt Wölfle voller Überzeugung. Natalie Gerner hat diesen Schritt getan und fertigt zusammen mit den vier Kollegen im Atelier ihres Vaters Mode aus Pelz. Auch einen Auszubildenden haben die Gerners im Team, darauf sind sie besonders stolz.

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