Warum ein Kürschner mit der Zeit gehen muss

Augsburger Allgemeine

Warum ein Kürschner mit der zeit gehen muss

Noch heute streicht Hans-Peter Gerner beinahe andächtig über die Felle und Pelze, die in seiner Boutique aushängen. Es ist das Material, das ihn sein ganzes Leben über begleitet. Schon der Vater war Kürschner, seine Mutter Pelznäherin. Seit 1986 ist Gerner selbst Kürschner-Meister und hat in Kriegshaber „in einem geistigen Wahnsinn, aber mit dem Selbstbewusstsein, es zu schaffen“, seinen eigenen Laden eröffnet. Und tatsächlich, das Geschäft besteht noch immer, was keine Selbstverständlichkeit ist. Nur noch drei weitere Kürschner arbeiten in Augsburg: Sabine Burkhardt beim Obstmarkt, Conrad Glock am Schmiedberg und Walter Wölfle in Lechhausen.

Die Gründe dafür, dass so viele Pelzgeschäfte in den letzten Jahren schließen mussten, sind laut Gerner vielfältig. Zum einen seien einige schlicht nicht mit der Zeit gegangen, haben nicht verstanden, dass Pelzmode auch Alltagsmode sein kann. Er holt aus dem Ausstellungsraum Einzelstücke. Die Preisspanne der Stücke bewegt sich zwischen 1.000 und 10.000 Euro. Pelzmode, so will Gerner zeigen, muss nichts mit dem Damenmantel für den Opernbesuch zu tun haben.

Als die Tierschützer in den 90er Jahren dann gegen Pelze mobil gemacht haben, trauten sich nicht mehr viele mit einem Nerzmantel auf die Straße. Die Nachfrage brach ein. Dabei kann Gerner die Kritiker sogar verstehen. „Eine konstruktive Kritik bringt jede Branche weiter. Für mich ist ganz klar, dass nichts gegen das Tierwohl gemacht werden darf.“ Seine Felle würden alle aus kontrollierten Züchtungen oder aus der Jagd stammen.

Durch den Image-Schaden, den die Pelzmode erfahren hat und von dem sich die Branche nur langsam erholt, bleibt auch der Nachwuchs aus. In ganz Deutschland lassen sich gerade einmal zehn Lehrlinge zum Kürschner ausbilden. „Die meisten haben ein Modestudium hinter sich und wollen das Thema Pelz vertiefen.“ Außerdem hat sich die Ausbildung geändert. Der Kürschner übernimmt auch die Arbeit des Pelznähers, muss dafür aber nur noch mit der Eigenart von etwa 30 anstatt wie früher von gut 100 Fellarten umgehen können. Gerner hatte Glück. Seine Tochter Natalie arbeitet auch als Kürschnerin. Einige Kunden verlangen extra ihre Beratung. „Man lernt, dass man nicht mehr die erste Geige spielt“, sagt Gerner und lacht. Vielleicht übernimmt sie irgendwann den Laden.

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